Die adaptive Maschine
Innovationen für den Maschinenbau auf den B&R Innovation Days
Auf der Agenda der Veranstaltung am 19. und 20. März 2019 im KongressCenter in Bad Homburg standen als Leitthemen die vollständig in ein Automatisierungssystem integrierte Bildverarbeitung, das Industrial Internet of Things (IIoT) und modulare Transportsysteme. Doch bevor Markus Sandhöfner, Geschäftsführer von B&R Deutschland, den Startschuss für die inhaltliche Reise zur „Smart Factory“ gab, informierte er die gut 300 Teilnehmer über Neues aus dem Innenleben von B&R.
So habe der Mutterkonzern ABB nach dem Verkauf seiner Netzwerksparte an Hitachi begonnen, seine bisherigen vier Divisionen neu zu ordnen. B&R ist davon insofern betroffen, als das Unternehmen aus dem Geschäftsbereich „Industrial Automation“ in die Sparte „Robotics & Discrete Automation“ übersiedelt. Mit der Umstrukturierung verbunden ist ein Umbau der vormaligen ABB-Matrixorganisation hin zu agilen Einheiten mit großer Kundennähe – also im Prinzip das, was B&R ohnehin längst praktiziert und stark gemacht hat.
Zweites Thema: die dringend benötigten zusätzlichen Produktionsflächen. So soll die Erweiterung des „Automation Campus“ am Hauptsitz in Eggelsberg/Österreich um 35.000 auf dann 100.000 m2
bis 2020 abgeschlossen sein. ABB investiert dafür, wie vielfach berichtet, rund 100 Mio. EUR.
Massenfertigung und Vorträge in Losgröße 1
„Auf zu unbegrenzten Möglichkeiten“ war passenderweise der Plenarvortrag von Johannes Vitzthum, Product Manager Track Systems bei B&R, überschrieben. Er erläuterte, wie das Transportsystem Acopostrak neue Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Produktion eröffnet und die Anlagenbetreiber auf diese Weise durch individualisierte Produkte ihre Marge steigern können.
Das System ist modular aufgebaut und lässt sich beliebig um einzelne Trackelemente und Bearbeitungsstationen erweitern. Mit elektromagnetisch betriebenen Hochgeschwindigkeitsweichen können Produktströme zur individuellen Weiterverarbeitung oder zum Sortieren einfach getrennt und zusammengeführt werden. Zudem ist das System geeignet, durch die Parallelisierung langsamer Prozessschritte (z.B. Klebstoffauftrag) den Anlagenausstoß zu steigern und durch das Ausschleusen von Produkten aus einer fehlerhaften Fertigungslinie eine Qualitätskontrollfunktion zu übernehmen.
Das Paradebeispiel einer Anwendung ist das „Bottling on demand“. Indem Shuttles die Flaschen auf parallelen Schienenwegen über verschiedene Stationen führen, lassen sich Flascheninhalt, Verschlussfarbe und Druckmotiv des Etiketts beliebig zusammenstellen. Die Auswahl nimmt der Kunde zuvor z.B. an einem Tablet vor. Die Etikettierung der Flaschen erfolgt über eine Relativbewegung jeweils zweier Shuttles zueinander in zwei übereinander verbauten Tracks.
Laut Vitzthum ist man bei B&R selbst erstaunt, welch originelle Anwendungen sich die Kunden einfallen lassen. So dürfte das Freiformschneiden z.B. von Brillenverpackungen in Losgröße 1 seinesgleichen suchen. Dabei bewegen sich an den Shuttles befestigte Messer gemäß der programmierten Verpackungsform, während das Material darunter hindurchgeführt wird. Ein weiteres Beispiel zeigte, wie ein ABB-Pickroboter einer Produktionslinie chaotisch zugeführte Behälter geordnet auf einem Track platziert.
Jede Anwendung wird prozessorientiert programmiert, d.h. der Produktfluss auf dem Track wird mit Regeln definiert. Damit müssen einzelne Achsen oder Shuttles nicht individuell programmiert werden und Kollisionen zwischen den Shuttles sind von vornherein ausgeschlossen. Umgekehrt erlaubt das System aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeit (4 m/s) und des durch intelligentes mechanisches Design erreichten minimalen Produktabstands (50 mm) eine sehr hohe Produktivität.
Die Bildverarbeitung wird zum Auge der Maschine
Sogar das Veranstaltungskonzept wurde dem Hauptthema angepasst: „Vorträge in Losgröße 1“ lautete das Motto. B&R bot in acht Workshop-Blöcken Referenten für 19 verschiedene Themen auf. Die kleinen Infozellen waren um das Plenum herum gruppiert. „Damit kann sich jeder Teilnehmer seine individuelle Agenda selbst zusammenstellen“, so Sandhöfner. Diese dynamischen Sessions im kleinen Kreis bildeten denn auch den Hauptteil der Veranstaltung zwischen den Plenarvorträgen.
Eines der Workshop-Themen: die weltweit erste Vision-Lösung, die nahtlos in die Automatisierung eingebunden ist. Kameras, intelligente Bildverarbeitungsalgorithmen und Beleuchtungssystem sind dabei integraler Bestandteil des B&R-Steuerungssystems. Die Beleuchtung wird automatisch mit dem Bildeinzug synchronisiert, sodass auch schnell bewegte Objekte präzise und mikrosekundengenau belichtet werden.
Ein einheitliches Tool für die Bildverarbeitung, die Steuerungs- und Antriebstechnik erlaubt eine einfache Verknüpfung aller relevanten Prozessvariablen. Durch die vollständige Integration und Synchronizität zu allen anderen Automatisierungskomponenten stehen dem Anwender nun neue Möglichkeiten zur Positions-, Prozess- und Qualitätskontrolle offen – die Bildverarbeitung wird zum Auge der Maschine.
Eine IoT-Lösung und neue Geschäftsmodelle
Mit dem „Asset Performance Monitor“ bringt B&R in der zweiten Jahreshälfte erstmals eine Cloud-Anwendung (ABB Ability) auf den Markt. Maschinenbauer erhalten damit einen zuverlässigen Überblick über ihre Maschinen im Feld. Die IoT-Lösung erfasst weltweit und rund um die Uhr Maschinendaten wie Produktionsrate und Energieverbrauch. Da Fehler ebenso wie Verbesserungspotenziale schneller bemerkt werden, können die OEM im Service neue Geschäftsmodelle entwickeln.
Abgerundet wurde das Programm durch Fachvorträge von Gastreferenten zu Trendthemen in der Automatisierung. So stellte Dr.-Ing. Bernd Winkler vom Linz Center of Mechatronics (LCM) Lösungen der Digitalhydraulik vor. Beispielsweise übertrug das LCM einen Schaltkonverter aus der Leistungselektronik in die Hydraulik, um die Energieeffizienz hydraulischer Antriebe zu steigern. In einer Anwendung für Druckgießmaschinen von Bühler mit Schließkräften über 40.000 kN konnte mit einem „Smart Pump Management“-System zudem der Verschleiß der jeweils drei zum Teil parallel geschalteten Hydraulikpumpen erheblich reduziert werden.
Im nächsten Jahr finden die Innovation Days am 17. und 18. März 2020 wieder in Bad Homburg statt.
Dr. Clemens Doriat, Redaktion Kunststoffe
B&R Industrie-Elektronik GmbH
Lesen Sie aktuelle Dissertationen aus dem Bereich der Kunststofftechnik.
Sie kennen nur den Handelsnamen eines Werkstoffs und wollen den Hersteller, die Kunststofftype und seine Lieferform wissen? Recherchieren Sie hier!
Fast 2000 Fachbegriffe in sieben Sprachen helfen Ihnen bei der Kommunikation mit Ihren Geschäftspartnern.